Cem-Zeremonie im Harabati Kloster in Mazedonien

Die Alevitische Union in Europa (AABK) besuchte auch dieses Jahr die Bektaschiten im Balkan und nahm an einer Cem Zeremonie anlässlich des Newroz-Tages am 21. März 2015 teil.

Die Delegation reiste gemeinsam unter der Leitung des damaligen Europavorsitzenden Turgut Öker vom Flughafen Köln/Bonn aus nach Mazedonien. Bei der Ankunft in Skopje empfing der junge Derwisch (bektaschitischer Geistliche) Hüseyin die Gruppe und begleitete diese in Ihr Hotel. Derwisch Hüseyin, der in der Türkei studiert, erklärte am späten Abend den Vertretern die genaue Situation der Bektaschiten im Land. Es war schockierend zu erfahren wie die bektaschitischen Klöster im Einvernehmen des korrupten Staates und mit Unterstützung aus der Türkei, Katar und Saudi Arabien durch Salafisten eingenommen wurden.

mazedonien Flughafen

Um die Lage besser verstehen zu können, muss bis auf das Jahr 1991 zurückgeblickt werden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens und der Unabhängigkeitserklärung Mazedoniens hat sich einiges vor Ort verändert. In der Hauptstadt Skopje z.B. wurden überall "antike" Statuen und gigantische Gebäude errichtet. Ziel war es die kommunistischen Merkmale Jugoslawiens so schnell wie möglich zu überdecken und eine Innenstadt zu schaffen, die an das antike Königreich Makedonien erinnert. Die seit 1998 ununterbrochen an der Macht stehende konservative Partei VMRO-DPMNE des Ministerpräsidenten Nikola Gruevski steht dabei oft in der Kritik, da diese häufiger in Korruptionsskandale verwickelt ist. Insgesamt ist die Lage des Landes sehr instabil, da es sich möglicherweise aufgrund von korrupten Geschäften mit der Türkei begründet. Beispielsweise ist die mehrfach aufgefallene und türkisch staatliche "Halkbank" eine der stärksten Banken in Mazedonien. Weiterhin: Die Gülen-Bewegung mit ihren eigenen Colleges "Yahya Kemal Koleji" und ihrer eigenen Zeitung "Zaman" ist stark präsent im Land. Katar und Saudi Arabien investieren ebenfalls intensiv in das wirtschaftlich sehr schwache Land. Das Ergebnis sind vom Ausland gesponserte gigantische Moscheen, die durch finanzielle Hilfen die Menschen zu sich ziehen möchten. Die Befürchtung des Heranwachsens einer salafistischen Jugend die vom Balkan aus in den Dschihad des Islamischen Staates eingreift, ist sehr hoch. Das Land steht im Zwiespalt: auf der einen Seite die korrupte konservative Regierung und auf der anderen Seite die Islamisierung des Landes durch Länder wie Katar und Saudi Arabien. Die in einer kleinen Minderheit im Land lebenden Bektaschiten sind bislang hiervon am meisten gefährdet!


Nur 2 Tage vor Beginn der Reise organisierte die AABK im Europäischen Parlament in Brüssel eine Konferenz zum Status der alevitischen Gemeinschaften in der Türkei, der EU und auf dem Balkan. Insgesamt war es eine sehr erfolgreiche erste Konferenz. Sorgen und Nöte wurden unter den Vertretern ausgetauscht. Das Hauptaugenmerk wurde hierbei anlässlich der aktuellen Situation auf die Bektaschiten im Balkan gelegt. Ihre Unterdrückung im alltäglichen Leben, die Assimilierungspolitik gegenüber den Bektaschiten und die Besetzung, gar Umwandlung von Bektaschitischen Klöstern in Moscheen. Letztendlich ist der einzige Wunsch der Aleviten/Bektaschiten die ungehinderte und freie Entfaltung ihres individuellen Glaubens. Hierbei sprachen die Vertreter des Europäischen Parlamentes ihre volle Unterstützung gegenüber den alevitischen Vertreter aus.


Newroz. 

Am nächsten Tag war es endlich soweit. Die aus Europa angereisten Aleviten konnten es kaum erwarten, um das mit 500 Jahren älteste bekannte Bektaschiten Kloster „Harabati Baba“ in der Stadt Tetovo zu betreten. Ein an der Tür stehender Salafist, der bis vor einem Jahr noch bewaffnet den Eingang des Bektaschiten Klosters bewachte und noch bis heute mit seiner finsteren Gestalt jegliche Touristen abschreckt, konnte die Gruppe auch nicht von ihrem Weg abhalten. Die Derwische des Klosters begrüßten die aus Europa angereisten Gäste und baten herzlichst herein. Kurze Zeit später trafen auch die Aleviten aus Österreich, welche mit 3 Bussen angereist waren an, sodass das Kloster mit über 200 Menschen schon lange nicht so gut besucht wurde. Es herrschte eine wunderbare Atmosphäre im Kloster, welche sogar vergessen ließ, dass das Kloster doch eigentlich von den Salafisten besetzt wird. Aufgrund der friedlichen Art der Gäste und auch der Gastgeber kam es vorerst zu keinen Ausschreitungen. Die Islamisten waren nicht sehr begeistert von der großen Menge im Kloster. Unter der Leitung von Baba Mondi (Vorsitzender der Bektaschiten Vereinigung im Balkan) und dem Derwisch Abdülmütalip (Derwisch des Klosters) fand eine wundervolle Zeremonie anlässlich des Newroz-Tages statt. Baba Mondi hieß mit einer Begrüßungsrede alle Anwesenden willkommen. Dertli Divani Baba (der von der UNESCO als lebende Legende & Weltkulturerbe anerkannt wurde) sang einige „Deyis“ vor und Cafer Kaplan Dede (Vorsitzender des Geistlichenrates der Alevitischen Gemeinde Deutschland) sprach abschließend noch ein Gülbenk aus. Am Abend wurde gemeinsam gegessen und ein  Gesprächs- und Gesangsabend („Muhabbet Aksami“) veranstaltet. So wie es bei den Bektaschiten üblich ist, wurde gemeinsam Schnaps getrunken. Die Teilnehmer hatten Möglichkeiten Fragen zu stellen und die bektaschitische Kultur näher kennenzulernen. Mit einer offenen Diskussionsrunde endete der Tag und die Gruppe begab sich wieder ins Hotel.Harabati dergahi

Zu Beginn des dritten Tages machte sich die Gruppe auf die Reise Richtung Süden des Landes. Das Dorf „Kanatlar“ gleich neben der Stadt „Prilep“ gelegen, ist ein altes von überwiegend türkeistämmigen Bektaschiten besiedeltes Dorf. Aynur Özcan (Vorsitzende Alevitische Gemeinde Marl) und einige weitere Freunde aus Deutschland, die ebenfalls aus diesem Dorf stammen, begleiteten die Gruppe bis ins Dorf. Nach einem Besuch der Grabstätte von Dikmen Baba (einem bektasitischen Derwisch) empfingen Veli Baba und örtliche Derwische die Gruppe im Gebetsraum des Dorfes. Nach einem gemeinsamen Abendessen und einem musikalischen Einklang in Form von verschiedenen „Deyis“, wurde über die aktuelle Lage des Dorfes, den Islamisten und der Assimilierungspolitik des Staates diskutiert. Das Dorf „Kanatlar“, welches das einzige überwiegend von Bektaschiten bewohnte Dorf in Mazedonien ist, ist besonders von diesen heimtückischen Plänen betroffen. Es führte im Dorf sogar schon zu einer Trennung der Bektaschiten auf der einen Seite mit Veli Baba und auf der anderen Seite Cafer Baba, da beide Derwische im Konflikt standen. Der Vorsitzende der Alevitischen Union in Europa (AABK) Turgut Öker setzte sich mit beiden Seiten zusammen und sprach über die Probleme, Sorgen und Nöte. Eine Schlichtung und der Zusammenschluss der Bektaschiten im Dorf sorgte für eine gute Stimmung. Die externe Gefahr ist nicht zu unterschätzen und genau aus diesem Grund ist eine Wiedervereinigung der geteilten Seiten für die Aufrechterhaltung des bektaschitischen Glaubens ein „Muss“! Am späten Abend verließ die Gruppe das Dorf und begab sich wieder auf den Weg Richtung Hotel, doch leider kam eine schlechte Nachricht von dem am Vortag besuchtem Harabati Kloster in Tetovo. Die Islamisten, welche durch die starke alevitische Präsenz sich gestört fühlten, griffen nach dem Abendgebet im Kloster die durch Zwang errichtete Moschee die Heiligenstätte der Bektaschiten an. Glücklicherweise gab es keine Verletzten und der Sachschaden des Klosters hielt in Grenzen.Dikmen baba dergahi

Am vierten und letzten Tag machte sich die Delegation morgens auf den Weg in Richtung Flughafen und damit in Richtung Heimat. Rückblickend auf die drei Tage war es eine sehr schöne Zeit. Wir sind der bektaschitischen Kultur ein Stück weit näher gekommen, es wurden Gemeinsamkeiten festgestellt und neue Freundschaften geschlossen. All dies waren wichtige Bausteine, die für die Zukunft aller Aleviten und Bektaschiten auf der Welt gelegt wurden. Der Dank gilt den ganz besonders gastfreundlichen und herzlichen Bektaschiten! Die alevitische Union in Europa wird auch in Zukunft mit den Bektaschiten im Balkan beisammen seien.